Anne Rinn
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Wandzeichnung, Installation, Video
04. November 2010

Eröffnungsrede in der Galerie 5020 in Salzburg
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07.04. - 20.04.2005

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Südkurier, Konstanz
25. Februar 2003
St. Gallener Tagblatt
01. März 2003
Katalog
Januar 2003

Mikrokosmos Zeitschrift für Mikroskopie 91, Heft 1 , 2002
Januar 2002

Text auf www.kx-Kampnagel.de (Galerie KX-Kampnagel Hamburg)

Adlershof Magazin (Heft 1, Seite 24 - 28)
November 2000

Kunstverein Zehntscheuer

Galerie Acud, Berlin
Berliner Morgenpost vom Sonntag
31. August 1997
Berliner Tagesspiegel (S. 24)
26. August 1997

ANNE RINN IM KUNSTVEREIN ZEHNTSCHEUER

Erschienen: 1999
Medium: Kunstverein Zehntscheuer
Autor: Thomas Sakschewski

Die einzelnen über drei Stockwerke im Kunstverein Zehntscheuer Münsingen ausgestellten Installationen, Videos und Objekte kreisen um Wachstum und Zerfall, den Schleifen der Evolution und der Kommunikation als Kreisform. Die Bewegungslinien sozialer und organischer Prozesse sind nicht linear, sie gleichen Schlaufen und Kreisen und Kurven. Linien mit einer Vielzahl von Punkten. Die Kreisform, bei der eine Linie um einen Radius wieder an den Punkt zurückkehrt, von dem sie ihren Ausgang genommen hat, stellt einen zentralen, wenn auch nicht offensichtlichen Bestandteil von Anne Rinns Arbeiten dar.

Dabei greift Anne Rinn zur Darstellung dieser organischen Bewegungen versuchter oder mißglückter Kommunikation auf Bildelemente der Biologie zurück. Die Schmetterlinge "Aus Großvaters Schmetterlingssammlung" oder die im "Fänger" verendeten Fliegen, aber auch das Gesamtbild der Ausstellung als ein sich ergänzender und überlappender Kreis verschiedener Bezüge.

Während das ikonologische Repertoire aus den Schaubildern der Biologie nahe liegt, verlangt eine weitere Bildquelle Erläuterung. Das Bild des Fliegens, das bei den gezeigten Arbeiten nichts von der technoiden Euphorie der tollkühnen Männer in den fliegenden Kisten hat, umschreibt mit melancholischer Zärtlichkeit eher, das Versagen sich vom Boden zu lösen. Eine Melancholie, die die russisch sprechende und auch zeitweise in Moskau studierende Künstlerin, mit den Arbeiten der Moskauer Konzeptualisten wie Prigov oder Kabakov verbindet, denn "Flug-Entfernung-Verschwinden" sind wesentliche Aspekte der sowjetischen Konzeptkunst in den 70er und 80er Jahren. In den zwischen 1972-75 entstandenen Zeichnungen Kabakovs "Der fliegende Kamarov" z.B. bemerkt das gezeichnete alter ego eines Tages, daß die Menschen fliegen und je höher sie fliegen immer durchsichtiger werden, ja ganz verschwimmen. Kabakov selbst bezeichnet diese Phase seines Werkes als einen "schwerelosen Zustand, ein ontologisches Erfragen", als ein Fliegen.
Während aber seine Figuren verschwimmen, werden die Fliegen und anderen Insekten bei Rinn von überdimensionalen Fliegenfängern gehalten. Dort kleben sie und verenden. So wie die Schmetterlinge in den drei Schatullen nur noch Sammlung sind und sich als Graphitzeichnung auf dem Boden spiegeln.

Einzig die metallenen, nicht verbalisierten, nicht aufgeschriebenen, nicht gesammelten Ideen und Gedankenblitze der "Tischgespräche", streben wie Quallen vom ersten Stock in den zweiten. Ihnen gelingt es sich vom Boden, von den neun maßstabsgerecht verkleinerten weißen Tischen, zu entfernen. Als biologische Vorlage dienten Medusen: eine Quallenart, denen dieser Name verliehen wurde wegen der gefährlichen und schmerzhaften Hautreaktion bei Berührung. Wer der Medusa in die Augen sieht, der stirbt. Der schwerelose Zustand, den Kabakov meint, ist nur zu erreichen, wenn wir die Objekte nicht ansehen, nicht bezeichnen, nicht einordnen, nicht registrieren. Sonst enden sie dort, wo auch die Schmetterlinge enden, als zoologischer Schaukasten in Fragmente zersplittert, die je genauer wir sie betrachten, in Großvaters Sammlung bis zu den Innereien der Spezies, desto mehr ihre Form und Bedeutung verlieren. Die anato-mischen Rudimente der Schmetterlinge sind biologische Informationsträger, doch die Gestalt des Schmetterlings ist verloren.


"Großvaters Schmetterlingssammlung" im dritten Stock der Zehntscheuer nimmt formal und inhaltlich eine Arbeit auf, die wie die Sammlung in der Fragmentierung eine Bewegung vollzieht. Die Knie, "o.T.", Objekte aus Gips als Reihe auf dem Boden, sind Abgüsse eines Knies von der Streckung zur Beugung. Wie im koordinierten Ablauf von Beugungsmuskel und Streckmuskel sind auch bei der Sammlung zwei gegenläufige Bewegungen auszumachen. Die Klappen der Schatullen gewähren von dem nur einen Spalt breit geöffneten Kästchen bis zum letzten einen immer größeren Einblick, während die in der Unterseite der Klappe gravierten und auf den Boden gezeichneten Schmetterlinge sich gegenläufig verhalten. Die kleinste Öffnung der Klappe ist bei der Zeichnung mit dem größten Informationsgehalt. Von den inneren Organen zu den Flügeln zum vollständigen Schmetterling. Knie und Sammlung bebildern daher in Einzelschritten eine Bewegung. Eine Trickfilmtechnik, die sich bei den hier gezeigten Videoarbeiten wiederholt.

Bei "Rekord" wird auf ein in neun Einzelbildern aufgeteilten Monitor ein Turm aus Briketts der Marke Rekord gebaut. Ein Turm, der immer wieder zusammenstürzt, weil eine Hand aus dem Bildrand wie bei einem Kinderspiel aus der untersten Reihe ein Brikett hervorzieht. Der Turm wird immer kleiner, denn nur die unversehrt gebliebenen Briketts können zum Bauen verwandt werden. Am Ende und am Anfang ist nur noch ein Haufen Kohlenstaub zu sehen, um den bis zum Bildhorizont Brikettbruchstücke verteilt sind, denn während im linken oberen Bildquadrat gerade der erste und höchste Turm gebaut wird, kehrt im rechten unteren Bildausschnitt die Hand aus dem Bildrand den letzten Haufen zusammen. Bei dem Film "Gegenläufe" ist ein gezeichneter unablässiger Verkehrsstrom zu sehen, der sich manchmal verdünnt, um dann wieder anzuschwellen. Verfolgt das Auge länger die unruhige Bewegung der Autos, so kann es ihr unmöglich folgen. Sie fahren sowohl vorwärts als auch rückwärts oder verharren plötzlich im Stillstand. In den digital nachbearbeiteten Trickfilmen werden Einzelbilder aufgenommen. Bei den Installationen sind diese Einzelbilder als Objekte sichtbar.

Die Gedanken der "Tischgespräche" schweben bis in den zweiten Stock, der fast vollständig von einem überdimensionierten Fallschirm eingenommen wird. Der Fallschirm, "Das unlesbare Flugblatt", wurde aus nur zwei, sich beständig wiederholenden Einzelseiten zusammengenäht, aus im Wortsinne "Flugblättern", die deswegen unlesbar sind, weil wir ihre Sprache nicht verstehen. Zum einen sehen wir die Skizze eines Forschers, der versucht Hieroglyphen zu deuten und zum anderen finden wir das Protokoll einer fehlerhaften digitalen Übertragung. Die Kommunikation verläuft im Kreis, so wie der Fallschirm auf dem Boden ausgebreitet ist, der Fallschirmspringer vielleicht darunter noch verborgen. Ist der Code des Verfassers nicht identisch mit dem des Lesers, so müssen die Zeichen ob ihrer Bedeutung interpretiert werden. Eine Interpretation verlangt ein Subjekt, das sich versucht zu versprachlichen oder den Code zu entschlüsseln. Die Entschlüsselung fragmentarisiert den Text und hat am Ende nur Kohlenstaub oder Schmetterlingsorgane. Wirklich fliegen kann nur die Idee, die noch nicht Sprache ist.