| | | Eröffnungsrede in der Galerie 5020 in Salzburg 12.03.2008 |
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ZU ERWARTENDE ÜBERLAGERUNGEN recent changes - Änderungen vorbehalten
Erschienen: 12.03.2008 Medium: Eröffnungsrede in der Galerie 5020 in Salzburg Autor: Gudrun Seidenauer, Schriftstellerin
Wenn wir so unsere täglichen wiederholten Schleifen von A nach B und über X, Y, Z zum vorläufig finalen „Kehre zurück an den Start“ ziehen, wenn wir uns nebeneinander, miteinander, auch gegeneinander (als mehr oder minder produktive Widerstände also) verhalten, uns beieinander -oder einander - aufhalten, uns zu diesem und jenem anhalten, einander hoch-, unter- oder unten halten, produzieren wir fortwährend Überlagerungen:eng- oder lockermaschige Verstrickungen und Abirrungen, nicht nur solche unserer Wege, sondern auch solche unserer Wahrnehmung und unseres Bewusstseins. In diesem, nur als Abstraktion vorstellbarem Gewirr von sichtbaren und unsichtbaren Bewegungen, immer entlang an äußeren und inneren Zwängen, beantworten wir einander fortwährend auf die eine oder andere Weise. Auch wenn wir nichts sagen oder ausweichen. Man könne nicht nicht-kommunizieren, lautet ein Credo der gängigen Kommunikationstheorien. Das hat etwas für sich. Vordergründig betrachtet, machen die, die Kunst, machen, etwas anderes: Man nimmt die Welt, bzw. ihre interessierenden Gefrierschnitte, gewissermaßen in sich hinein und nimmt sich aus ihr heraus. Man „macht“ etwas, malt, schreibt, arrangiert, installiert und geht mit dem Produkt im Ich-Gepäck wieder hinaus. Die Spuren all der anderen gleichzeitigen oder zeitverzögerten Berührungen im Produktionsprozess bleiben bestenfalls verwischt. Der Künstler/die Künstlerin zeigt sich, verharrt eine Weile im auratisch geladenen Raum und wird wahrgenommen als „Schöpfer“. Dagegen ist an sich nichts zu sagen (weil schon längst und oft genug gesagt). Spannend, weil unvorhersehbar wird jedoch eine Vorgabe, wie hier bei „recent changes – Änderungen vorbehalten“ wenn die ersten, die zuerst kommen, und wie es so schön heißt, auch zuerst ma(h)len, etwas hinterlassen, den Platz nicht mehr ordentlich leer räumen für die Folgenden, gewissermaßen einen Widerstand errichten, dem die Nachkommenden etwas hinzu- oder entgegensetzen. Man wird sehen, welche produktiven Varianten, Kommentare oder anderes sich für den 2. und 3. Abend am 2. und 23. April ergeben werden. So weit die Bedingungen für die drei Phasen der heute, am 13. März eröffneten Ausstellung.
Was ich über die einzelnen Beiträge sagen kann, ist aus mehreren Gründen fragmentarisch und ergibt sich aus einer literarischen bzw. essayistischen Perspektive. Anne Rinn und Hannes Kater aus Berlin, die miteinander leben und arbeiten, führen ausgehend von zwei bildlichen Zentren eine Art Dialog an der Wand: Ergänzen, Kommentieren, Beantworten, Anstupsen, was auch immer. Einen Sprachmenschen spricht dies beinah zwangläufig an, weil der Sprachmensch, wie jeder andere auch, dem zunächst am meisten traut, was er zu kennen glaubt: Aufeinander bezogene, und dort, wo die Hand, der schreibende Körper, noch ohne maschinellen Anschluss im Spiel des Sagens, Ordnens und Verschweigens ist, auch miteinander verschlungene Zeichen. Doch der Sprachmensch täuscht sich freilich: Dies ist kein Text. Obwohl das Ganze beständig zu flüstern scheint: Lies mich! Die Zeichen an der Wand folgen einer offeneren, subjektiveren Ordnung. Wenn ich ungefähr in der Mitte des Raumes stehe, suche ich trotz der verlockenden Details, an denen sich der Blick verhaken möchte, trotz der da und dort an Schaltkreise, Blutkreisläufe, Scharniere, Verschraubungen, Gesichtsausschnitte, Comicfiguren, Maschinen- oder Skelettteile, Planzeichnungen und anders erinnernden Elemente, nach einer Stelle, an der ich zu „lesen“ beginnen kann. Die alte, in den alphabetisierten Körper eingeschriebene Gewohnheit setzt sich durch und drängt dazu, links unten zu beginnen. Aber wo ist das? Für eine Weile verliere ich die Zeichen und folge den von Anne Rinn gesetzten Linien: einer ausholenden Dynamik, die da und dort, angetrieben von kleinen, ob ihrer wesensimmanenten Wichtigtuerei witzigen Pfeilchen, die Richtung wechselt und einen kleineren Kreisel oder eine Spirale des Blicks provoziert. Flächigkeit und Räumlichkeit gehen ineinander über. Der Blick klebt an der Decke, pendelt und gleitet wieder ab. Hannes Kater, hier ein weiterer Angelhaken in die, sagen wir, entfernte Verwandtschaft mit der Schrift, hat eine Art eigenes Alphabet entwickelt, zu sogenannten „Darstellern“, zu Bildzeichen verdichtete emotionale und mentale Befindlichkeiten: Wer seine Assoziationen also präzisieren möchte, darf mittels beigelegtem Bildwörterbuch lesen lernen und sehen, wie nun etwa die Brotwolke mit dem Gewicht umgeht, was wiederum das konfuse Vogelhirn damit anzufangen weiß, und ob Bangbüx in seiner Angst etwa die Herzbombe zum Platzen bringt. Der Raum dreht sich beim Betrachten, und wir dürfen, anders als in einem Text, den Anfangs- und Endpunkt setzen, wo wir wollen. Wenn wir wollen, dürfen wir auch stammelnd dechiffrieren, vielleicht erinnert sich die eine oder der andere an die Lust und die Last des Lesenlernens, als einem die Wörter noch nicht so aufdringlich und blitzschnell ihre vorgeblichen Botschaften ins Gehirn zu stanzen vermochten wie jetzt, da uns die nun einmal erlernte Fähigkeit keine Wahl mehr lässt als angeblich zu verstehen. Und sich zu täuschen, keine Frage. Denn die Überlagerungen bleiben ja auch in all jenen Eindeutigkeit suggerierenden Zeichensystemen bestehen und tun, was sie können. Besonders die Zeichnungen verlocken zum Antworten mit kleinen Geschichten, zum Übersetzen des Unübersetzbaren, zur Ankunft am anderen medialen Ufer, der Sprache mit ihren anderen Möglichkeiten und Beschränkungen. Mit einem großen Schritt zurück in den Raum, soweit dass zumindest in den Augenwinkeln alles gleichzeitig bildhaft erfasst wird, sehe ich mich eingesponnen, in einem Bild-Text-Gewebe, in dem das Hybride, das Mit- und Ineinander von körperlich-organisch-emotional mit strukturell-maschinenhaft – seine angenehmen oder erschreckenden Assoziationsfelder eröffnet, je nachdem. Dass es keine Alternative zum Anschluss an die pfeilinduzierte Geschwindigkeit der Bewegung der Körper und der Gedanken gibt, wie sie uns die alltäglichen Maschinerien aufzwingen, ist ein alter Hut, aber einer, der doch auf vielen Köpfen, so hoffe ich, gehörig schief sitzt.
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